DMZ – FORSCHUNG ¦ A. Aeberhard Fünf Jahre nach dem Beginn der Covid-19-Pandemie wird immer deutlicher, welche nachhaltigen Folgen eine Infektion mit SARS-CoV-2 für das Gehirn haben kann. Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass viele Menschen auch lange nach ihrer Erkrankung unter kognitiven Einschränkungen wie Konzentrationsstörungen, Gehirnnebel, Depressionen und einem verlangsamten Denkvermögen leiden. Besonders besorgniserregend ist, dass eine Covid-Infektion mit erhöhten Konzentrationen bestimmter Proteine im Blut einhergehen kann, die auch mit Alzheimer in Verbindung gebracht werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen daher vor einer möglichen Zunahme neurodegenerativer Erkrankungen in den kommenden Jahren. Was die Forschung über Covid und das Gehirn herausgefunden hat Schon 2021 berichtete ein britisches Forscherteam über besorgniserregende Ergebnisse von Gehirnscans, die vor und nach der Pandemie durchgeführt wurden. Sie fanden Hinweise darauf, dass eine Covid-Infektion das Gehirn schädigen und dessen Alterungsprozess beschleunigen kann. Besonders betroffen war jener Bereich, der für den Geruchssinn verantwortlich ist – selbst bei Personen, die nur einen milden Krankheitsverlauf hatten. Weitere Studien bestätigen diese Erkenntnisse: Viele Betroffene leiden über Jahre hinweg unter kognitiven Defiziten, insbesondere ältere Menschen und solche, die schwer erkrankten. Eine Langzeitstudie aus China ergab, dass 40 Prozent der über 60-Jährigen, die während der ersten Infektionswelle hospitalisiert wurden, zweieinhalb Jahre später noch immer kognitive Einschränkungen aufwiesen – im Gegensatz zu nur 14 Prozent ihrer nicht infizierten Partner. Zusammenhang mit Alzheimer und Demenz Eine britische Studie aus dem Jahr 2024 untersuchte ehemalige Covid-Patientinnen und -Patienten, die wegen schwerer Verläufe im Krankenhaus behandelt wurden. Das erschreckende Ergebnis: Zwei bis drei Jahre nach der Entlassung litten 50 Prozent der Betroffenen unter moderaten bis schweren Depressionen, 25 Prozent hatten anhaltende kognitive Defizite, und etwa 11 Prozent zeigten eine deutliche Verschlechterung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit – vergleichbar mit einem IQ-Verlust von 30 Punkten. Besonders alarmierend sind Studienergebnisse im Zusammenhang mit Alzheimer: Offenbar kann eine Covid-Infektion eine bestehende Gehirnentzündung verstärken, Immunzellen schädigen und den Krankheitsverlauf beschleunigen. Aber auch gesunde ältere Erwachsene sind gefährdet. Forschende gehen davon aus, dass eine Infektion bei ihnen das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen oder sogar für eine neu auftretende Demenz erhöhen könnte. Selbst jüngere Erwachsene berichten gelegentlich über Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme nach einer Infektion – insbesondere nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Diese Beschwerden, die an das Krankheitsbild von Long Covid erinnern, können den Alltag der Betroffenen erheblich einschränken. Langzeitfolgen und wirtschaftliche Auswirkungen Eine umfassende Studie mit fast 113.000 Teilnehmenden, die im Februar 2024 veröffentlicht wurde, zeigte, dass eine Covid-Infektion messbare Auswirkungen auf das Gedächtnis und die exekutiven Funktionen hat. Besonders stark betroffen waren Menschen, die sich in der frühen Phase der Pandemie infiziert hatten. Selbst bei milden Verläufen konnten die Forschenden einen durchschnittlichen IQ-Verlust von drei Punkten feststellen – bei Personen mit anhaltenden Symptomen wie Kurzatmigkeit oder chronischer Erschöpfung waren es sogar sechs Punkte. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass Covid das Risiko für Parkinson erhöhen könnte. Erkrankte berichten häufiger über Zittern, verlangsamte Bewegungen und Gleichgewichtsstörungen nach einer Infektion. Auffällig ist auch, dass Frauen offenbar häufiger unter den neurologischen Langzeitfolgen leiden als Männer. Die gesundheitlichen Langzeitfolgen von Covid könnten gravierende wirtschaftliche Konsequenzen haben. Eine Schätzung aus den USA geht davon aus, dass der wirtschaftliche Schaden durch Long Covid in den Industrienationen bereits zwischen 864 Milliarden und 1,04 Billionen US-Dollar pro Jahr beträgt – etwa ein Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Besonders betroffen sind junge Erwachsene, die im Arbeitsleben stehen und deren krankheitsbedingte Ausfälle zu Produktivitätsverlusten führen. Noch viele offene Fragen – aber dringender Forschungsbedarf Obwohl die Mechanismen hinter den neurologischen Auswirkungen von Covid noch nicht vollständig geklärt sind, gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass das Virus langfristige Schäden verursachen kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen derzeit, ob Virusreste im Gehirn verbleiben und dort Entzündungen oder Autoimmunreaktionen auslösen. Auch die Rolle von Blutgerinnseln, die möglicherweise die Sauerstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigen, ist Gegenstand aktueller Forschung. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass es dringend weiterer Untersuchungen bedarf – insbesondere um wirksame Behandlungsstrategien zu entwickeln. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen könnten enorm sein, wenn es nicht gelingt, angemessene Therapien zu finden und Betroffene gezielt zu unterstützen. Klar ist: Die Auswirkungen der Pandemie auf unsere Gehirngesundheit werden uns noch lange beschäftigen.