Ich bin ratlos wegen der medialen Aufregung über Alice Weidels Sommerinterview und darüber, dass das offenbar immer noch nicht als eine Strategie erkannt ist, sondern alle so tun als hätte sie sich mal wieder was Schlimmes geleistet. Leute, das ist Absicht, das ist Strategie!
Der identitäre Faschist Martin Sellner beschreibt das Vorgehen in seinem Buch "Regime Change von rechts", und Alice Weidel (ebenso wie Höcke und andere) hält sich drehbuchmäßig daran. Die Strategie heißt "anschlussfähige Provokation": Demnach muss man immer ein Stückchen über die Grenze des Sagbaren hinausgehen, um so nach und nach den Diskurs zu verschieben.
Die Faschisten setzen auf diesen Mechanismus: Wenn die Provokation von gestern das Normale von heute ist, wird die Provokation von heute das Normale von Morgen. Wenn zum Beispiel der Tagesspiegel titelt "„Niederlage des eigenen Landes“: AfD-Chefin Weidel empört mit Aussage zur Kapitulation Nazi-Deutschlands" dann ist das genau die Schlagzeile, die beabsichtigt war. Das Interview war also für den faschistischen Regime Change ein voller Erfolg, Weidel hat geliefert. Sie hat so weit provoziert, dass alle sich aufregen und sie in den Schlagzeilen ist, aber sonst keine weiteren Konsequenzen drohen. Und alle haben gelernt: Man darf die Niederlage Deutschlands 1945 als hochrangige Politikerin dieses Landes heute wieder öffentlich bedauern.
Die Idee der Neuen Rechten ist im übrigen auch, dass man demokratische Verfahren und Grundgesetz gar nicht ändern muss, um den Faschismus einzuführen. Es reicht, die öffentliche Meinung und den Mainstream weit genug nach rechts zu verschieben - mit demokratischen, rechtsstaatlichen Mitteln - um dann mit der "Volksmeinung" im Rücken faschistische Gesetze zu machen.
Wir sehen ja schon, wie - ganz legal - freie Sprache eingeschränkt wird ("Anti-Gendersprache-Gesetze in mehreren Bundesländern), das Asylrecht ist schon ausgehebelt, und so weiter. Es ist sehr viel möglich im Rahmen des Legalen.
Ich bin der Meinung, wir fokussieren uns viel zu sehr auf den kleinen Bereich illegaler Aktivitäten von Altnazis oder durchgeknallten Reichsbürgern. Aber das sind nicht die, von denen die wirkliche Gefahr ausgeht. Es ist in erster Linie ein Kulturkampf, und er spielt sich dort ab, wo festgestellt wird, was in dieser Kultur sagbar ist und was nicht, was wir für normal halten und was nicht, welches Verhalten Konsequenzen hat und welches Verhalten keine hat.
Conversation
Notices
-
Embed this notice
antjeschrupp (antjeschrupp@eldritch.cafe)'s status on Tuesday, 12-Sep-2023 06:53:09 JST antjeschrupp
-
Embed this notice
HistoPol (#HP) 🏴 🇺🇸 🏴 (histopol@mastodon.social)'s status on Tuesday, 12-Sep-2023 07:02:23 JST HistoPol (#HP) 🏴 🇺🇸 🏴
Richtig. Es ist gezielte Provokation für ein "New Normal". In den USA sieht man, wohin das führt. Sie macht es eleganter, weniger mit der Holzhammermethode. Dafür m.E. umso gefährlicher.
Jeder soll so reden und schreiben können, wie er/sie es für richtig hält.
Verwaltungssprache und wissenschaftliche Arbeiten zu nicht gender-relevanten Themen sind unverständlich genug. Hier sollte es deshalb bei einem minimalistischen Ansatz bleiben.--So meine Meinung.
-
Embed this notice