Pitt war ein Scheidungskind, und weil er Sara sehen wollte, würden sie zwei Abende und einen kompletten Tag bei den Wempes verbringen. Es stand zu befürchten, dass Frau Wempe ihm mindestens ein Abführmittel in die Plätzchen injizieren würde. Am 16. Dezember erschien die erste Kolumne. Frau Wempe war in den Samstagsbeilagen der Lokalzeitung eine Spalte freigeschaufelt worden, in der sie aus ihrem Leben als berufstätige Mutter erzählte. In der ersten Folge sprach sie von den Freunden ihrer Tochter, vor allem von Pitt. Dass er einem Kleiderbügel glich nicht nur in seiner Statur, sondern auch in seiner Eloquenz. Sie nannte ihn ambitioniert und wünschte sich zukünftig einen gutgebauten Medizinstudenten zum Schwiegersohn. Mordlust durchzuckte ihn, als er ihren Text las. Dann aber erinnerte er sich, warum sich Sara damals in ihn verliebt hatte. Sie hatte sich in ihn verliebt, weil sie ihn so nett fand, so herzergreifend zurückhaltend, unmachistisch und einfühlsam. Sie sagte ihm oft, dass sie seine Zartheit so sehr mochte, seine Verschämtheit. Und dann sah sie ihn an, dass er das Gefühl hatte, gleich werde ihm Blut aus den Haarspitzen tropfen vor Seeligkeit. Und so beschloss er – nett zu sein. Freundlich, zuvorkommend und liebenswert. Die folgenden Tage bis Weihnachten verbrachte er in seiner Küche und buk Plätzchen. Er kaufte Marzipan, Nougat und Krokant und zauberte daraus die wohlschmeckendsten Pralinen. Er versuchte sich an russischem Zupfkuchen und besorgte sich sogar eines
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