Aus einem liegengebliebenen ICE in einen überfüllten und verspäteten anderen ICE umgestiegen und der Zugführer begrüßt uns in einer tonlosen Stimme mit den Worten: „Sie kennen das ja von uns — regelmäßiges Versagen ist auch eine Form der Zuverlässigkeit.“ Da spricht jemand, der keine Illusionen mehr über seinen Arbeitgeber hat und der will, dass wir das wissen...
…völlig egal, in welchen Siegesrausch sich Merz gerade hineinsteigert. Und egal, wie eng die Freundschaft zwischen von der Leyen und Meloni ist, die fehlenden 175 Sitze bekommt sie nicht von der ID — sie würde sie nicht einmal bekommen, wenn sie die ECR und die AfD noch mit dazu nehmen würde. Sie hat keine Alternative zur S&D. Und die kann deshalb sehr wohl „Bedingungen“ diktieren und ist damit nicht die typische Verliererin. Und dass Merz das nicht versteht… 5/
…die Ergebnisse von 2019, sodass sich eigentlich nichts geändert hat im Vergleich zu vor der Wahl. Zweitens sind 30% halt nicht 51%, und da ist man eben nur in einem sehr relativen Sinne ein „Sieger“ oder „Verlierer“. Auf EU-Ebene sieht es sehr ähnlich aus — die EVP hat 10 Sitze hinzugewonnen, die S&D hat 4 verloren, das ist bei 720 Sitzen jetzt kein Erdrutsch in irgendeine Richtung. Und mit 186 von 361 nötigen Sitzen für eine Mehrheit braucht die EVP Partner, … 4/
für die Union, die sich gestern lautstark als „Bollwerk gegen Rechtsradikale und Rechtspopulisten“ positioniert hat. Für Merz ist es eine „Bedingung“ die man sich nicht „diktieren“ lasse, also keine Überraschung an dieser Stelle. Aber mir geht es um etwas anderes, nämlich seine Idee, dass die CDU die große Wahlsiegerin und die SPD die große Verliererin sei. Das ist sicher richtig, wenn man die Ergebnisse der beiden Parteien vergleicht — 30% zu 13,9%. Aber erstens sind das ziemlich genau… 3/
Er bezieht sich mit den „Bedingungen“ auf eine der wenigen richtigen Äußerungen, die ein*e SPD-Politiker*in seit gestern Abend getätigt hat. Katarina Barley sagte: „Es muss klar sein, dass es einen demokratischen Konsens gibt, also dass wir eben nicht einen Konsens bilden mit Rechtspopulisten oder gar Faschisten, Postfaschisten.“ Wer sich von den Fratelli d'Italia wählen lassen wolle, werde keine Unterstützung von den Sozialdemokraten erhalten. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein, 2/
In einer idealen Welt würde man über Friedrich Merz schweigen, aber über eine seiner vielen demokratiefeindlichen Äußerungen seit gestern Abend will ich doch sprechen. In den sozialen Medien verbreitet er folgende Aussage: „Wahlverlierer haben uns keine Bedingungen zu diktieren. Wenn diejenigen, die immer wieder große Demonstrationen ‚für Demokratie‘ veranstaltet haben, sich an die Regeln der Demokratie halten, dann sind die Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Parlament klar und eindeutig.“ 1/
(My colleagues often worry about how to identify term papers or assignments that were written using an LLM. I tell them not to worry about it and just grade them based on content, and everything will sort itself out.)
Was lernen wir daraus: 1.) Der Sprachwandel macht vor Nichts halt, nicht einmal vor dem Grundgesetz; 2) Linguistik ist interessant, es sollte Schulfach werden (dafür könnte der Sportunterricht abgeschafft werden). 3/3
Während die Ortsbezeichnungen weiterhin neutral klingen, sind nur wenige neutrale handlungsbezeichnende Wörter übrig (eben Malerei, Fischerei). Andere, auch alte Wörter klingen inzwischen für viele Sprecher*innen abwertend und informell — es klingt z.B. merkwürdig, wenn in den Medien ein Schusswechsel als „Schießerei“ bezeichnet wird. „Kauffahrtei“ ist auch ein bisschen so: „Was soll diese Kauffahrtei hier, benehmt euch bitte“, „Das ist eine Riesenkauffahrtei, wenn du mich fragst“ usw. 2/
Das Suffix _-(er)ei_ hat eine interessante Gesichchte: Es diente ursprünglich zur Ableitung von (i) ortsbezeichnenden Nomen (Durckerei, Bäckerei, Gießerei, Gärnterei, …) oder (ii) neutralen handlungs-/vorgangsbezeichnenden Nomen (Malerei, Fischerei, ...) oder (meistens aus Verben, aber, wie bei Kauffahrtei, manchmal auch aus Substantiven) verwendet. Inzwischen hat der zweite Typ eine abwertende Nebenbedeutung (G̶e̶s̶c̶h̶r̶e̶i̶, Geheimniskrämerei, Schlamperei, Tierquälerei, Schreiberei, Hehlerei, …) 1/
Zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes wird nun häufig der etwas abgegriffene Art. 1 zitiert, aber das #Grundgesetz hat viel mehr zu bieten! Mich überkommt z.B. immer eine verfassungspatriotische Rührung bei Art. 27: „ Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.“ *Das* ist für mich deutsche Leitkultur!