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- Embed this noticeRobert Jungks "Der Atomstaat" von 1978 gehört zu den Gründungsschriften der deutschen Anti-Atombewegung. Alle später relevanten topoi:
• kein Unterschied zwischen militärischem und zivilenm Gebrauch der Kernkraft
• zehntausend Jahre strahlender Müll
• Produktionssicherheit verlangt massive Einschränkungen bürgerlicher Rechte
• Lobpreisung der Alternativbewegung,
• der lokalen erneuerbaren Kleinenergie
• des "sanften Wegs" im Umgang mit Natur und Mensch
werden hier zum ersten Mal zusammenhängend präsentiert.
Was im Buch nur an ein oder zwei Stellen durchschimmert und in seiner späteren Rezeptionsgeschichte gänzlich ausgeblendet wurde, ist, dass "Der Atomstaat" zwar über Kernenergie spricht, dies aber vor dem Hintergrund des "Deutschen Herbstes" (1977) und der Auseiandersetzung zwischen Staat und dem Terrorismus der RAF und der Bewegung 2. Juni vornimmt.
Dass Atomenergie in den 1970er Jahren als lebensbedrohlich empfunden wurde, hängt mit der Suggestion zusammen (Kap. 7, Abschnitt 5, S. 196), dass Atomenergie als Mittel des Staates gesehen wurde, Zwangsmaßnahmen und Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten einzuführen und zu legitimieren, die man dann auch gegen den deutschen Terrorismus und seine Unterstützer einsetzen konnte.
Robert Jungk überträgt so das Bedrohungsgefühl einer Bevölkerung, entstanden aus der westdeutschen gewaltätigen Auseinandersetzung zwischen Staat und Terrorismus, auf das gänzlich andere Thema der Risiken der Kernenergie (die er m.W. technisch falsch darstellt) und schafft damit eine (west-)deutsche Abwehrhaltung gegenüber der Kernenergie, die später nicht mehr überwunden wurde (und nahtlos in die Protestbewegung gegen den NATO-Doppelbeschluss und die Stationierung von Pershing-2-Mittelstreckenraketen überging).
Man sollte diesen Aspekt in der heutigen Rezeption der Anti-Atombewegung der 1970er Jahre nicht übersehen. Ein erheblicher Teil des Widerstands gegen die Kernenergie war nicht technisch begründet, sondern aus der Angsterfahrung des "Deutschen Herbstes" und der Legitimationskrise der westdeutschen Bundespolitik.
Nicht nur wurde diese Angsterfahrung von Robert Jungk auf die Kernenergie übertragen, sie konnte danach auch nicht mehr aufglöst werden und lebt als spezifisch deutscher Angstreflex im Umgang mit der Kernergie bis heute fort.
#nuclear
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