Während alle rätseln, was denn nun stimmt, vergessen sie eines: Es ist völlig egal, was an dieser Geschichte wahr ist. Natürlich nicht, wenn es um die moralische Bewertung von Gil Ofarim geht. Aber um die geht es nicht. Gil Ofarim, ohne ihm zu nahe treten zu wollen, hat keine gesamtgesellschaftliche Relevanz. Sein Handeln muss juristisch bewertet werden, nicht öffentlich. Es geht um Antisemitismus. Der hat gesamtgesellschaftliche Relevanz. Und ob er existiert, hängt nicht von dieser einen Geschichte ab. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 2351 antisemitische Straftaten gemeldet. Einer Studie zufolge ist die Dunkelziffer ungefähr dreimal so hoch. All diese Fälle gehen nicht weg, selbst wenn Gil Ofarim gelogen hat. Aber wenn er gelogen hat, wird allen anderen Jüdinnen und Juden automatisch weniger geglaubt. Deshalb weiß ich nicht, was für den Kampf gegen Antisemitismus schlimmer wäre: die Anfeindung oder die Lüge über die Anfeindung. Einige rufen: "Ihr solltet euch nicht so aufregen, bloß, weil jemand so eine Behauptung aufstellt!" Aber wisst ihr was? Doch. Sollten wir. Wenn jemand antisemitisch beleidigt wird oder sexualisierte Gewalt oder sonst irgendein Unrecht erfährt, sollten wir uns aufregen. Wenn wir Opfern nicht glauben, wird sich nie etwas ändern. Und wenn sich herausstellen sollte, dass die Anschuldigungen erlogen sind, sollten wir uns noch mal aufregen. Ehrliche Empörung ist eine große und gute Kraft. Wir müssen nur darauf achten, wie wir sie einsetzen. Vielleicht nic
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